Liebe Kolleg/innen, liebe Genoss/innen, liebe Zuhörer/innen,
wir sprechen für die AG Soziale Berufe der FAU Freiburg. Wir sind unter anderem Erzieher:innen und Sozialarbeiter:innen, die für Vereine, Unternehmen und die großen Wohlfahrtsverbände arbeiten.
Wenn über unser Arbeitsfeld gesprochen wird fällt oft das Wort „Fachkräftemangel“. Gemeint ist, dass es viele offene Stellen gibt und so der Arbeitsdruck enorm hoch ist. Ob in der Kita oder im Sozialbereich: Wir kommen einfach nicht mehr hinterher. Immer mehr Arbeit, immer mehr Kinder oder Klient:innen, für qualitativ gute Arbeit bleibt kaum mehr Raum. Kolleg:innen brennen aus und werden krank, was die Situation noch verschärft. Vor allem im Sozialbereich kommen befristete Projektstellen hinzu. Eine langfristige Lebensplanung ist damit kaum möglich. Und vergessen wir auch nicht die oft schlechte Bezahlung. Kein Wunder dass es bei diesen Arbeitsbedingungen einen riesigen Personalmangel gibt.
Nicht nur wir Beschäftigten leiden unter diesen Zuständen: Gerade auch die von uns begleiteten Kinder und deren Eltern oder die von uns begleiteten Menschen in schwierigen Lebenslagen bekommen nicht die Art von Unterstützung die ihnen zu steht. Und dies nicht weil wir nicht wollen – sondern weil die aktuellen Bedingungen uns daran hindern.
In unserem Arbeitsfeld arbeiten überwiegend Frauen, etwa 5 mal mehr als Männer. Auch in anderen „Sorge“-Berufen, wie der Hauswirtschaft, der Behindertenhilfe oder der Pflege ist das der Fall.
Frauen verdienen im Schnitt immer noch rund 16 Prozent weniger als Männer. Wegen der Doppelbelastung Arbeit/Haushalt arbeiten wir viel öfter in Teilzeit oder in sogenannten „Minijobs“. Auch unsere Renten sind wesentlich niedriger.
Ebenso sind es im privaten Kontext Frauen, die den Großteil der unbezahlten Hausarbeiten übernehmen. Laut Statistiken jede Woche etwa 9 Stunden mehr als die Männer. Gerade in heterosexuellen Paarbeziehungen mit Kindern kann von Gleichberechtigung deshalb noch lange nicht gesprochen werden.
Wir meinen, einer der Schritte für mehr Geschlechtergerechtigkeit könnte eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich sein. 30 Stunden als neue Vollzeit würde der Lebensrealität vieler Frauen näher kommen, als die heutigen 40 Stunden.
Die durch eine Arbeitszeitverkürzung überwiegend bei Männern frei werdende Zeit könnte vermehrt für unbezahlte Sorgearbeit genutzt werden. Klar ist, dass dies nicht automatisch geschehen wird, sondern wahrscheinlich viele Kämpfe im Großen wie Kleinen benötigt. Eine Arbeitszeitverkürzung würde aber die materielle Grundlage schaffen, auf der der Kampf für eine gerechte Verteilung von Sorgearbeit erfolgsversprechender geführt werden kann.
Oft wird von Seiten des Kapitals und der Politik eingewendet, Arbeitszeitverkürzung sei in Zeiten von „Fachkräftemangel“ nicht machbar. Man müsse eher die Wochenarbeitszeit noch anheben. Unserer Meinung nach gibt es diesen „Fachkräftemangel“ aber so nicht. Was es gibt ist ein massiver Überschuss an Lohnarbeiter:innen, die aktuell keiner wirklich sinnvollen Tätigkeiten nachgehen. Unsere Gesellschaft braucht sicher nicht Jahr für Jahr einen neuen Rekord an produzierten Autos oder immer aufdringlichere Werbung. Sondern mehr sinnvolle Arbeit in den Bereichen Erziehung, Soziales und Pflege/Gesundheit!
Wir müssen uns als Gesellschaft grundsätzliche Fragen stellen: Wie und warum wollen wir wirtschaften? Für immer mehr Wachstum und Profit für Wenige – bis das Sozial- und Pflegesystem zusammenbricht und das Klima kollabiert? Oder für ein gutes Leben für alle?
Wir finden es wichtig, dass sowohl die Gewerkschaftsbewegung, als auch die feministische Bewegung wieder weitreichendere politische Ziele in Angriff nimmt: Wir müssen über die Transformation unseres Wirtschaftssystem nachdenken. Ein erster Schritt kann eine radikale Arbeitzeitverkürzung sein. Sie wäre Grundlage für besser Arbeitsbedingungen und für mehr Geschlechtergerechtigkeit! So wie es ist kann es nicht bleiben!