Gegen die Ausbeutung in Minijobs
Die Kampagne „Geringfügig angepisst“der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union FAU Freiburg richtet sich an geringfügig Beschäftigte und gegen die Ausbeutungsverhältnisse, die in Minijobs gang und gäbe sind.
Organisation von Arbeitskämpfen im Niedriglohnsektor
Für ArbeitgeberInnen sind Minijobs „eine Form staatlich zugelassener Schwarzarbeit.“ Dabei subventioniert der Staat den Niedriglohnsektor aus Steuermitteln zusätzlich für all die AufstockerInnen, die von ihrem kargen Lohn nicht leben können und HartzIV beantragen müssen.
Für ArbeitnehmerInnen sind Minijobs prekäre Arbeitsverhältnisse, die ihnen hochgradige Flexibilität und Mobilität abverlangen, bei geringem Lohn und praktisch nicht vorhandener sozialer Absicherung.
Aus diesem Verhältnis resultiert eine hohe Entscheidungsmacht der UnternehmerInnen gegen eine geringe Macht der Lohnabhängigen, die ihre Interessen nicht – oder eben nur schwer – durchsetzen können.
Das Machtmittel seit jeher für ArbeiterInnen, um ihre gemeinsamen Interessen durchzusetzen, – ist der Streik. Durch die Vereinzelung im Minijob und den verminderten gewerkschaftlichen Organisationsgrad sind Streiks in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen jedoch sehr selten.
Um einen erfolgreichen Streik im Niedriglohnsektor zu initiieren sind als Druckmittel zunächst Öffentlichkeitsarbeit, Solidarität und phantasievolle, direkte Aktionen die Methode der Wahl.
Aussichtsreich ist auch die sogenannte Registermethode. Sie besteht aus zwei Phasen. In der ersten Phase werden kontinuierlich Informationen über Arbeitsbedingungen, Arbeitsplätze, Löhne und Tarifverträge gesammelt und registriert. Auf dieser Grundlage sollen dann in der zweiten Phase würdige Löhne und Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden. Gerade auch für papierlose migrantische ArbeiterInnen ist diese Methode ein effektiver Weg, Rechte, ausstehende Löhne und ein allgemein besseres Arbeitsverhältnis einzufordern.
Niedriglohnhölle Deutschland
Die Bundesagentur für Arbeit zählte im 3. Quartal 2014 fünf Millionen ausschließlich geringfügig entlohnter ArbeiterInnen, und zusätzlich 2.4 Millionen dieser Beschäftigungsverhältnisse in Nebenjobs. Je nach Region sind zwei Drittel der Minijobberinnen Frauen. Bemerkenswert ist auch, dass ein sehr großer Anteil an MinijobberInnen älter als 60 Jahre ist, genauer 1.44 Millionen waren dieser Altersgruppe zu zuordnen, ein Zeichen also für die zunehmende Altersarmut in Deutschland.
Mit der Novelle des Minijob-Gesetzes vom 1. Januar 2013 wurde die Entgeltgrenze von 400 € auf 450 € angehoben bei gleichzeitiger Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, für die jedoch eine Wahlmöglichkeit geschaffen wurde, sich von ihr befreien zu lassen.
Bei einer geringfügigen Beschäftigung trägt der Arbeitgeber Lohnsteuer, Soli-Zuschlag und Sozialversicherungsbeiträge. Der/die MinijobberIn ist versicherungsfrei in der gesetzlichen Kranken-, Pflege und Arbeitslosenversicherung.
Im Hinblick auf die Krankenversicherung heißt das jedoch, dass MinijobberInnen bis 450 Euro Monatsverdienst sich selbst krankenversichern müssen. Erst ab 451 €, also in der Midi-Gleitzone des Gesetzes zur Geringfügigen Beschäftigung muss der Arbeitgeber explizit Beiträge zur KV abführen und die ArbeitnehmerIn anmelden, wenn noch keine Mitgliedschaft besteht.
Neue Dynamik durch das Gesetz zum Mindestlohn
Mit dem seit 4 Wochen in Kraft getretenen Gesetz zum Mindestlohn ist nun eine neue Dynamik im Arbeitsmarkt für MinijobberInnen entstanden. Viele geringfügig Beschäftigte arbeiten im Gastronomie und Nahrungsmittelgewerbe, sowie im Einzelhandel, sozialen Pflegeberufen sowie in der KFZ-Industrie und Baugewerbe (Quelle: Quartalsbericht der Minijobzentrale). Viele MinijobberInnen sind auch in der Hauspflege, den sowohl gewerblichen als auch häuslichen Putzkräften und im Taxigewerbe eingesetzt.
Für all diese Branchen gilt seit dem 1. Januar 2015 der Mindestlohn von 8.50 €. Mithin gelten die Bestimmungen zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch und branchenbezogen z. T. Anspruch auf Weihnachtsgeld und Sonderzahlungen wie Sonn- und Feiertagszuschläge, wenn sie tariflich geregelt sind.
Wichtigster Grundsatz bei MinijobberInnen ist es, dass das Gehalt ohne Abzüge, also Brutto gleich Netto ausbezahlt wird. Allein dieser Sachverhalt hat bei ArbeitgeberInnen seit 1. Januar zu umfangreichen Umgehungsmassnahmen geführt.
Ein klassische Argumentation der ArbeitgeberInnen ist die Behauptung 450-Euro-JobberInnen steht der Mindestlohn nicht zu.
Das ist eine Lüge! MinijobberInnen haben sehr wohl Anspruch auf die 8.50, Ausnahmen gelten allerdings bei nicht volljährigen Beschäftigten, Langzeitarbeitslosen und der auf Druck der Verlegerlobby erzwungenen Ausnahme im ZeitungszustellerInnengewerbe.
Ein weiterer Versuch zu tricksen ist z. B. der Versuch bei Reinigungskräften auf Leistungslohn um zu stellen. Allerdings gilt auch dann, dass mindestens 8.50 € in der Stunde zusammenkommen müssen. Wird ein Leistungslohn veranschlagt, der in der vorgegeben Zeit nicht zu bewältigen ist, gilt die Entlohnung als sittenwidrig.
Andere ArbeitgeberInnen versuchen, den Mindestlohn zu umgehen, indem sie – illegalerweise – unbezahlte Mehrarbeit verlangen. Laut Vertrag ist dann ein Arbeitnehmer nur für 20 oder 30 Stunden pro Woche angestellt – tatsächlich muss er aber Vollzeit arbeiten.
Auf diese Weise kommt es z. B. zu den vielen Halbtags-Bauarbeitern auf Freiburgs Baustellen.
Sonderfall Freiburg
Gerade in Freiburg mit seinen teuersten Mieten nach München sind 51.5% der Beschäftigungsverhältnisse sogenannte „atypische Arbeitsverhältnisse“, worunter 1-€ Jobs, geringfügig 450€-Jobs, Teilzeit unter 19 Wochenstunden oder Leiharbeit fallen.
In absoluten Zahlen sind das 73.429 der 143.400 Beschäftigungsverhältnisse im Jahresschnitt 2013 (Quelle: Radio Dreyeckland).
Unsere Stärke: Organisation!
Die FAU-Kampagne „Geringfügig angepisst“ hat sich zum Ziel gemacht, über das Recht sogenannter geringfügig Beschäftigter aufzuklären, um gegen Ausbeutung im Minijob anzukämpfen.
Darüber hinaus bieten wir mit dieser Plattform für MinijobberInnen, eine Möglichkeit sich zu vernetzen, um Erfahrungen auszutauschen und gegenseitige, das jeweilige Unternehmen übergreifende Hilfe zu leisten. Wer seine Rechte nicht einfordert, verliert sie.
Organisieren wir uns, im Kampf gegen die Ausbeutung in prekären Beschäftigungsverhältnissen!