„Wenn bei uns nicht genügend Gäste in der Bar sind, werden unsere Arbeitsstunden nicht gezählt“, berichtet die Barkeeperin Karin S.* aus Freiburg. Sie ist nicht die Einzige …“
*Name von der Redaktion geändert.
In der Gastronomie haben wir oft mit erheblichen Missständen zu kämpfen: niedrige Löhne, unbezahlte Arbeits- und Überstunden, miserable Arbeitsbedingungen, Arbeitsrechtsverstöße, wie keinen bezahlten Urlaub und fehlende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Einbehaltung von Trinkgeldern, Personalknappheit, geringe Wertschätzung, Diskriminierungen – insbesondere sexistische und rassistische.
Die Chef*innen haben dabei meist freie Hand, da sich niemand wehrt. Dies liegt einerseits an der unzureichenden Kenntnis bezüglich des Arbeitsrechts und der Kampfmöglichkeiten, andererseits an der Angst vor Jobverlust oder mangelnder Konfliktbereitschaft, da der jeweilige Job nur als temporäre Zwischenstation geplant ist.
Wir haben uns deshalb als anarchosyndikalistische Gewerkschaft (FAU) in der Freiburger Gastronomie umgehört, um uns ein Bild über die Arbeitsbedingungen vor Ort zu machen. Die ersten Rückmeldungen zeigen, dass Gastronaut*innen in Freiburg grundlegende Dinge vorenthalten werden:
– Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist eine Seltenheit. Meist wird der Dienst getauscht und die Zeit muss bei Krankheit unerlaubterweise nachgearbeitet werden,
– weiterer Zeitklau durch Chef*in: Es gibt keinen Urlaub, trotz Anspruch; Arbeitszeit für die Schichtplanung wird nicht gezahlt, es gibt keine,
– auch wird von sexueller Belästigung durch Gäste (aber auch Kolleg*innen und Chefs) berichtet,
– der Lohn in der Freiburger Gastronomie liegt wohl bei mickrigen 9 Euro.
Minijob heißt jedoch nicht Mini-Rechte und Mini-Löhne! Auch im Minijob stehen dir alle Rechte als Arbeitnehmer*in zu.
In einer Studie der Böckler-Stiftung kam zutage, dass 2,7 Millionen Beschäftigte 2016 weniger als den Mindestlohn erhielten.
In der Gastronomie zahlen 38 Prozent nicht mal diesen. Die Kampagne der Freie Arbeiter*innen Union möchte die Zustände in der Freiburger Gastronomie beleuchten und erstellt deshalb einen Lohn- und Arbeitsspiegel. Dieser soll auch dazu dienen über die grundlegenden Rechte zu informieren, um diese nicht zu unterlaufen, sondern auszuweiten. Sprecht mit den Menschen, die euch bedienen, und fragt sie nach ihren Arbeitsbedingungen. Weist sie auf unsere Lohnspiegel-Kampagne hin und zeigt euch solidarisch. Sprecht mit anderen Kund*innen über eure Erfahrungen, teilt der Chef*in mit, wenn ihr in Zukunft den Laden wegen den schlechten Arbeitsbedingungen meiden werdet.
Löhne nach oben
Die Niedriglohnschwelle liegt bundesweit bei 10 Euro/Stunde, und selbst die wird bei immerhin 21 Prozent aller Arbeitnehmer*innen unterschritten. In Freiburg scheint die Gastronomie – nach den bisherigen Rückmeldungen – nur knapp über dem Mindesthohn zu bezahlen (9 Euro). Selbst bei Lidl – nicht gerade für ihre guten Arbeitsbedingungen bekannt – gibt es einen firmeninternen Mindestlohn von 12 Euro/Stunde.
Bei den exorbitanten Mieten in Freiburg ist das Freiburger Lohnniveau mehr Hohn als Lohn. Um eine Rente über dem Existenzminimum zu bekommen, müssten mindestens 12,63 Euro/Stunde bei einer Vollzeitstelle verdient werden. Der mittlere Bruttostundenlohn in der gesamten Wirtschaft lag 2016 bei 16,60 Euro. Davon sind die Beschäftigten in der Gastronomie bei ihren Teilzeitstellen und Löhnen noch weit entfernt.
Lohn- und Arbeitsspiegel
Unter https://freiburg.fau.org/lohnspiegel-gastro/ könnt ihr uns über die Zustände in der Freiburger Gastronomie berichten und informieren. Die Ergebnisse werden, wenn wir genügend Infos gesammelt haben, auch dort veröffentlicht. Auf dass in Zukunft niemand mehr unter dem höchsten Lohn beginnt zu arbeiten.
FAU Freiburg | Adlerstr 12, 79098 Freiburg
E-Mail | faufr@fau.org
Web | www.freiburg.fau.org
* Offenes Treffen: am 3. Freitag im Monat ab 20 Uhr
* Gewerkschaftliche Beratung: am 1. Donnerstag im Monat 20-21 Uhr
im „Büro für grenzenlose Solidarität“ – Grether-Gelände (Adlerstr. 12)