Gastronaut*innen aller Tresen vereinigt euch! – FAU-Einblicke in die Freiburger Gastronomie

Lohnklau in malerischer Kulisse

Freiburg und die Region sind bekannt für den Schwarzwald und den damit zusammenhängenden Tourismus. In malerischen Berglandschaften gibt es aber viele schlechte Arbeitsbedingungen, gerade in der Tourismusbranche. So auch am Fuße des Feldbergs.

In einem Hotel wurde auf die Unwissenheit über das Arbeitsrecht einer migrantischen Arbeitskraft spekuliert, die Sprachbarrieren und die Abgeschiedenheit des Arbeitsplatzes ausgenutzt. Hier konnte die FAU Freiburg die ausstehenden Löhne eintreiben.

Das ist eine von vielen Auseinandersetzungen, die wir in den letzten Jahren in der Freiburger Gastronomie und im Rahmen unserer Lohnspiegelkampagne geführt haben. Mit diesem Text wollen wir in 7 Beispielen zeigen, was wir dabei gemacht haben und auf welche Grenzen wir gestoßen sind.

Kein Studium – Keine Versicherung

Während des Studiums erscheint vielen ein Minijob eine gute Sache. Du bekommst brutto wie netto das gleiche, da du anderweitig versichert bist. Doch was tun, wenn das Studium zu Ende ist und du dann keine Krankenversicherung mehr hast ? Die Vergünstigungen des Studierendendaseins fallen weg und 9€/Std. brutto in netto sind auf einmal erheblich weniger, wenn davon noch eine Versicherung bezahlt werden soll. Dann kommen die Tragweite von Löhnen unter 15€/Std. und das Minijob – Desaster erst zu Tage. Mit einem Minijob Wohngeld bewilligt zu bekommen ist wegen der extrem hohen Mieten in Freiburg so gut wie aussichtslos. Und wenn es mal klappt, ist die Frage der Versicherung noch immer nicht gelöst. Das „Aufstocken“ beim Jobcenter ist eine Möglichkeit, die aber viele scheuen: Die Abschreckung des Hartz IV- Regimes funktioniert. Eine weitere Möglichkeit besteht darin zu versuchen, die Arbeitgeber*in dazu zu bringen, dich sozialversicherungspflichtig knapp über der Minijobgrenze anzustellen. Damit ist wenigstens die Versicherung bezahlt. Dies ist jedoch ein Vorgehen, das auf äußerst prekärem Niveau eine kleine Verschnaufpause brachte.

Lohnklau und Bitte, die Arbeitsmittel selber mitzubringen

Bei einem Pizza und Co.-Lieferdienst wird erwartet, dass die Ausfahrer*innen dies mit ihrem eigenen Auto machen. Dafür gab es eine minimale Pauschale, die nicht mal die Kosten für das Benzin abgedeckt hat, geschweige denn die Anschaffung, Abnutzung und eventuell auftretende Unfallschäden. Darüber hinaus war der Chef ständig sehr kreativ, Stunden bei der Lohnabrechnung zu „vergessen“ und die Löhne dann auszuzahlen, wenn es ihm gerade passte. Dort konnten wir erreichen, dass es mehr Geld fürs Auto gibt und die ausstehenden Löhne gezahlt wurden.

Hier -wie bei allen in diesem Gewerbe- sei empfohlen: Schreibt euch eure Arbeitszeiten selber auf, lasst sie vom Chef unterschreiben, dann lässt es sich auch sehr einfach eintreiben.

Pizzeria – wenn rassistische Gesetze Kämpfe erschweren

In einer Pizzeria wurde zwar die gesetzliche Einführung des Mindestlohns dazu genutzt, die Preise zu erhöhen – nicht jedoch die Löhne. Diese blieben weit unter dem Mindestlohn. So wie weiterhin unterirdische Löhne gezahlt wurden, war auch nie klar, wer warum wieviel bekommt. Schichten wurden nicht bezahlt, Geld kam zu spät oder unregelmäßig, auf dem Papier wurden zwar Mindestlöhne gezahlt, real aber nicht. Die Löhne unterschieden sich deutlich von Kolleg*in zu Kolleg*in, die Trinkgeldverteilung: undurchsichtig – es gab sehr viele Spaltungslinien im Betrieb.

Viele der Kolleg*innen waren außerdem nicht nur wegen der Miete und Co. auf das Geld angewiesen, sondern auch um ihren Aufenthaltsstatus, der daran gekoppelt ist, nicht zu verlieren. Für den Aufenthaltstitel müssen sie den Unterhalt für sich und ihre Familie ohne Sozialleistungen selbst bestreiten – und das bei Löhnen weit unter dem Mindestlohn. Sie arbeiten sehr, sehr viele Stunden.

Wir haben Betriebsversammlungen organisiert und mit den Kolleg*innen diskutiert. Nach einem mehrmonatigen Prozess stand das Ergebnis: geltendes Recht durchzusetzen, stellte für die Kolleg*innen ein zu großes Risiko dar. Sie hatten Angst, dadurch ihren Aufenthaltstitel zu verlieren. Rassismus in Gesetzen erschwert Kämpfe und drückt, wie hier im Betrieb, die Löhne für Alle.

Erfahrung zeigt – Organisierung hilft!

Die langjährige Erfahrung zweier Syndikalist*innen in der Gastronomie, die anfangs wie viele andere als Minijobber*innen gearbeitet haben, zeigt: In der Regel werden gesetzliche Ansprüche auf Urlaub, Krankengeld oder eine vertragliche Absicherung missachtet. Besonders betroffen hiervon sind migrantische Kolleg*innen. In vielen Betrieben wird das Trinkgeld durch die Chefs mit fadenscheinigen Begründungen (wie zB Betriebsrettung, …) unterschlagen. Werden diese Zustände in Frage gestellt, kann man mit der sofortigen Kündigung rechnen, meist ohne Beachtung der Kündigungsfristen. Ein weiteres Problem: gerade in der Nachtgastronomie mussten wir immer wieder sexistische Übergriffe von Gästen an Mitarbeiter*innen erleben. Aus der Chefetage konnte man hierfür keinerlei Unterstützung erwarten. Glück hat, wer in einem solidarischen Team arbeitet.

Daher wünschen wir uns, dass ein ernsthafter Austausch in allen Betrieben zur Regel wird und sich dadurch Solidarität und Stärke innerhalb der Belegschaften entwickeln kann. Organisiert Euch!

Kündigung bei foodora Freiburg

Ein FAUler wurde von Foodora rausgeschmissen. Zuvor hatte der Fahrradkurier zur Gründung eines Betriebsrats in Freiburg aufgerufen und hatte in der Presse mangelhafte Arbeitsbedingungen kritisiert. Kritikpunkte sind unter anderem, dass sie ihre Arbeitsmittel (Fahrrad, Smartphone) selbst stellen und für deren Wartung aufkommen müssen und ihr Lohn somit unter den Mindestlohn gedrückt wird. Dazu kommt eine intransparente Schichtplanung, die ihrer Kontrolle weitgehend entzogen ist. Im Krankheitsfall verschwinden immer wieder bereits eingetragene Schichten, die der Arbeitgeber bezahlen müsste, aus der Planung. Zusätzlich kam es zu Verspätungen in der Lohnauszahlung. Sie fordern: Übernahme aller Materialkosten, Erhöhung des Stundenlohns um mindestens einen Euro; transparente Schichtplanung, mindestens eine bezahlte Stunde pro Woche für Schichtplanung und Wartung der Ausrüstung.

Besuch doch mal deinen Chef….

Ein FAUler kam mit einer Person ins Gespräch. Dabei stellte sich heraus, dass der Person Lohn vorenthalten wurde. Der Chef nutzte die Unwissenheit der Person aus, vertröstete sie immer wieder und zahlte den Lohn nicht. Wir machen öfters die Erfahrung, dass gerade bei Menschen mit Migrationshintergrund deren Unkenntnis der hiesigen Gesetzeslage ausgenutzt wird.

Kurzum, beim direkten Besuch des Chefs der fastfood-Kette durch Syndikalist*innen der FAU ging dieser nach einem Telefonat mit seinem Anwalt zum Bankautomaten und zahlte die fehlende Kohle sofort aus. So kann schnelle direkte Hilfe auch aussehen. Und so konnte, ohne ein Gericht zu bestellen, direkt der Lohn eingetrieben werden.

Lohnspiegel-Kampagne

Die Niedriglohnschwelle liegt bundesweit bei 10 Euro/Std und selbst die wird bei 21 Prozent aller Arbeitnehmer*innen unterschritten. In Freiburg zahlt die Gastronomie nur knapp über dem Mindesthohn. Selbst bei Lidl – nicht gerade für gute Arbeitsbedingungen bekannt – gibt es einen firmeninternen Mindestlohn von 12 Euro/Std.

Bei den exorbitanten Mieten in Freiburg ist das Freiburger Lohnniveau mehr Hohn als Lohn. Um eine Rente über dem Existenzminimum zu bekommen, müssten mindestens 12,63 Euro/Std bei einer Vollzeitstelle verdient werden. Der mittlere Bruttostundenlohn in der gesamten Wirtschaft lag 2016 bei 16,60 Euro. Davon sind die Beschäftigten in der Gastronomie bei ihren Teilzeitstellen und Löhnen noch weit entfernt.

Nach unserer Erhebung zahlen fast ein Viertel der Freiburger Gastronomie – Betriebe lediglich den Mindestlohn oder darunter. 40 Prozent zahlen um die 9€/Std. Der Rest lediglich um die 10€/Std.

Daher schlagen wir vor: Macht es nicht unter 15 €/Std !

Wir kriegen nur, wofür wir kämpfen

Gastronaut*innen aller Tresen vereinigt euch!

FAU Freiburg | www.freiburg.fau.org | faufr-kontakt [äht] fau.org

* gewerkschaftliche Beratung | 1. Donnerstag im Monat 20-21 Uhr („Büro für GRENZENLOSe Solidarität“, Adlerstr. 12)

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